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 Malakal, Sudan, 40 Grad im Schatten. Wir waren auf tropische Temperaturen vorbereitet, aber als wir in Khartum aus der Swissair DS aussteigen, haut uns die Hitze fast um. Zweiter Tag, in aller Frühe steigen wir in kleine Propellermaschine der Sudan Airways, drei Stunden später krabbeln wir in Malakal raus, mit dem Gefühl, wie sollen wir es hier 14 Tage lang aushalten? Das einzige Hotel, ist für immer geschlossen worden. Es fängt gut an. Der Schreiber ist schon einmal hier gewesen, erbettelt nach dreistündiger Verhandlung und eine Bestechung, zwei Betten im ägyptischen Haus. Leider nur für eine Nacht. Das Haus ist die beste Adresse hier. Wir machen es uns gemütlich, verjagen alle Ratten, stellen unsere Moskitonetze auf und sind entschlossen, erst auszuziehen wenn wir zurückfliegen. Im Zimmer herrscht an die 30 Grad Wärme, aber immerhin weniger als draußen. Wie die Toilette aussieht und was sie alles beherbergt, darüber will ich mich nicht auslassen. Außer uns wohnen hier noch zwei frisch examinierte sudanesische Ingenieure, die am Jonglei-Kanal arbeiten sollen, aber nicht können, weil sie hier aus Malakal nicht rauskommen. Denn es gibt keine Verbindung von hier bis zu der 50 Kilometer entfernten Baustelle; es gibt kein Benzin. In Malakal gibt es eine völlig überflüssige, riesige TV Antenne, die das bisschen Strom verbraucht, den ein ausgedienter tschechischer Generator aus den fünfziger Jahren mit Mühe und Not liefert. Im ganzen Ort gibt es sieben Fernseher; die Leute haben zwar nichts zum Fressen, aber zwei Programme im TV. Das sind die Folgen der Entwicklungspolitik und der Eitelkeit der Regierenden. Der Sudan wird langsam islamisiert. Selbst Malakal, das in der Mitte des größten Landes Afrika liegt und früher christlich orientiert gewesen sei, wurde überrannt. Nur die Rebellen im Süden wehren sich gegen die neue Religion und vor der aus Ägypten bestimmende Politik. Die alten Bräuche, die Gewohnheiten, die Kultur der verschiedenen Stämme werden durch den Imperativ "Modernisierung Jetzt" verdrängt. Als ich in Khartum nach einer Platte mit südsudanesischer Musik suche, wird mir nur die islamische Musik angeboten. Ich dachte, dass sie mich nicht verstanden haben und präzisiere, dass ich gerne Folkloremusik aus dem Sudan mitnehmen würde. Sie haben mich angeguckt, wie wenn ich in einer französischen Disco den Wunsch geäußert hätte, etwas bayerische Musik zu hören. In der Bevölkerung gibt es ein enormes soziales Gefälle, und die Armen tun mir sehr leid, ich werde es wahrscheinlich nie lernen, dass es hier normal ist. Ich machte mich lächerlich, als ich im unserem Hotel in Khartum, ein aroganten Weißarsch ansprach; weil ich vor Wut kochte wegen der Ungerechtigkeit; mit der er einen Kellner wegen ungeschickt eingeschenktem Bier zur Sau machte. Der angeschissener Dinka, mit reinstem Gesicht, zeigte nicht einmal ein bisschen Stolz gegenüber dem kleinen fetten Sack, der sich so sehr weltmännisch benahm. Zum Schluss wurde ich von den beiden  noch als Spinner verachtet, aber zurück zu Malakal. Das Dach über unserem Kopf haben wir mit unserem unnachgiebigen Verhalten gesichert. Die Stadt nutzt die kühleren Morgenstunden; am Nilufer übernachten im Staub wilde Schilluks und Nuers aus entfernten Gebieten, und als sie mich entdecken, lassen sie von mir die Augen nicht weg. In der Stadt laufen die Leute in Thobes und europäischen Anzügen, dazwischen pendeln stolze Jäger mit Speeren und Stöcken, auf denen Fische baumeln; manche haben mit Henna gefärbte Haare. Eine Begegnung zweier Bekannter beginnt mit hohem, mehrsilbigem Aufschrei, mit beiden Händen schlagen sie sich gegenseitig auf die Schulter und drehen sich zweimal im Kreis, jauchzen vor Freude, bis sie sich schließlich ausgiebig die Hände schütteln. Der Markt von Malakal; zumeist werden Gewürze und Holzkohle angeboten, ab und zu sehe ich Leute, die ein Ei oder zwei Tomaten in der Hand halten und anbieten. Im Schatten einer Drogerie, die neben Waschpulver auch Aspirin verkauft, scheint das größte Angebot zu haben. Hier ist auch das Meiste los; der Metzger schlachtet draußen; hier diskutieren und preisen die Verkäufer die Qualität des Fleisches. Über den Markt kreisen 15 bis 20 Bussarde, und die mutigsten kommen in ihrem Sturzflug bis an das Fleisch heran, aber niemand nimmt Notiz davon. Es scheint, als würden sie mit ihren Angriffen für die Güte des Fleisches garantieren. Als mein Kollege einem Dorflehrer einen Taschenrechner schenkt, folgt für uns eine Einladung zu ihm nach Hause, und wir kommen in den Genus von diesen Delikatessen. Eine Ablehnung würde an große Beleidigung grenzen. Ich weiß später nicht genau, ob ich von dem seltsam zubereiteten Fleisch oder vom Nilwasser erkrankte. Es ist ratsam, im Nil nicht zu baden, nicht mal den kleinen Fußzeh soll man ins Wasser stecken, wegen der heimtückischen Krankheitserregern. Aber es gibt kein anderes Wasser.  Am Anfang versuchen wir, das Wasser mit Whisky zu neutralisieren, aber unsere zwei Zollfreie Flaschen reichen nicht lange genug; bei der Hitze hier verbrauchen wir 4 - 5 Liter Flüssigkeit am Tag. Wir kochen uns viel Tee, aber es scheint mir, dass es den Viren gut bekommt. Nach zwei Tagen kommt nur heißes Wasser aus mir heraus, und ich verziehe des öftermal mich ins Dickicht am Nil und will niemanden sehen, nur nachts schleiche ich mich zurück ins Haus aus Angst vor den Krokodilen. Mein Körper gewöhnt sich langsam an die Salmonellen und ich mich an die schnellen, unberechenbaren Momente und schmeiße dann meine Unterhose weg. Inzwischen hat sich rumgesprochen, dass wir ein Auto und Benzin suchen. Es kommen diverse Angebote. Unter den horrenden Summen, die sie von uns verlangen, suchen wir uns zwei Brüder aus, die uns am akzeptabelsten erscheinen. Einer ist Dinka-Abstammung, sein Bruder hat arabischen Einschlag; das kommt von der Vielweiberei, die hier auch von den Armen praktiziert wird. Der Araber ist der Fahrer, aber er spricht kein Englisch, so kommt auch Hassan jedes Mal mit. Wenn wir rausfahren, sind nicht nur ich, der Schreiber und die beiden Brüder dabei, sondern noch drei Kumpel, die das als willkommene Abwechslung verstehen. Unterwegs nehmen wir auf unserer bemalten Toyota-Pritsche, die sonst als Taxi funktioniert, noch weitere Fahrgäste mit, denn der Fahrer lässt kein Geld auf der Straße stehen. Noch bevor wir rausfahren, müssen wir die bürokratische Prozedur über uns ergehen lassen. Wir brauchen eine Genehmigung, um die Stadt verlassen zu dürfen und haben um 7 Uhr beim Kommissionär zu erscheinen. Um 16 Uhr empfängt uns ein Offizier in einer Ausgehuniform. Er hört sich unser Vorhaben an und verweist uns auf "Morgen" um 7 Uhr. Am nächsten Tag um 11 Uhr halten wir es nicht mehr aus und drängen in sein Büro und verlangen unsere Genehmigung. Er befiehlt uns Platz zu nehmen und demonstriert uns seine Größe und Macht; er verprügelt seinen Diener mit dem Stock und deutet an, dass er ähnliches mit uns machen könnte. Der Schreiber, der schon gewisse praktische Erfahrungen mit dem hiesigen Benehmen hat, droht mit festem Skandal. Wir bekommen den Wisch. Zum Schluss versucht er noch, die DDR Markscheine, die ihm jemand als D-Mark angedreht hat, bei uns umzutauschen. Wie jeden Tag werden wir um 5 Uhr durch das Gebet aus der Moschee geweckt; heute bin ich deswegen nicht sauer. In einer halben Stunde fahren wir schon aus Malakal raus. Jeder nutzt die Morgenstunden, die Aktivität erlauben. Am Stadtrand melden wir uns in einer halb aus Lehm, halb aus Holz gebauten Bude an. Ich bin genauso froh wie unsere vierköpfige Crew, die vor lauter Freude durch ihre Vorderzahnlücke spuckt. Eine Zahnlücke bedeutet bei den Dinka der Wohlstand, es signalisiert, ich trinke Milch und habe es nicht nötig, auf Körnern zu kauen, so wie die sesshaften Schilluks, die Getreide anbauen. Mohammed lässt sogar Leute am Straßenrand stehen, ohne sich davon zu überzeugen, ob sie mit Geld oder mit Naturalien bezahlen könnten, was gestern in Malakal undenkbar gewesen wäre. Die allgemeine Euphorie wird nicht mal durch den schlechten Straßenzustand getrübt, und wir nehmen die fast halbmeterhohen Sätze von unseren Sitzen mit Leichtigkeit hin und grinsen dem in Geschwindigkeitsrausch geratenen Mohamed zurück. In den 40 Kilometern, die wir zum Sobat-Fluß brauchten, lernte ich ein Lied der Dinka. Unser Taxi und die Jungs bleiben am Ufer und warten auf uns; sie dürfen nicht mit zur Baustelle. Zum Übersetzen besteigen wir ein grob ausgebranntes Kanu. Es erfordert von allen Einsteigenden absolutes Balance- verhalten. Als ich nach meiner Kamera in der Tasche greife, bringe ich das Ding beinahe zum kentern. Am Ufer beginnt die Baustelle des Jonglei-Kanal. Es ist schlimm: dort, wo Leute unserer Zivilisation auftauchen, breiten sich auch alle negativen Einflüsse aus. Die Schwarzen sind hier unterwürfiger oder versuchen, uns übers Ohr zu hauen. Kurz bevor der Nil mit dem Sobat zusammenkommt, breitet sich ein riesiges Sumpfgebiet aus. Der Nil verliert hier vierzig Prozent seines Wassers. Das Sumpfgebiet funktioniert wie ein großer Schwamm. In der Trockenperiode zieht er sich zusammen, in der Regenzeit dehnt er sich auseinander. Damit leben aber viele Stämme und passen sich mit ihren Tieren dem Nil an. Der Jonglei-Kanal mit seinen 300 Kilometern Länge soll der Wasserverschwendung ein Ende setzen. Es mehren sich Stimmen, Ökologen, die befürchten, dass der Kanal das Klima total aus dem Gleichgewicht bringen wird. Für die Hirten wird es ein Aus bedeuten, großer Nutznießer wird dann Nord-Sudan und Ägypten sein, die ausreichend Wasser bekommen werden. Die französische Firma, die dieses gigantische Vorhaben durchführt, zeigt sich trotz Verspätung sehr optimistisch. Die ersten Kilometer hat der Schaufelbagger hinter sich. Die Erde ist hart wie Stein und bricht dem Ungeheuer mal die Kupplung und schleift die Zähne an den Schaufelkörben bis zur Befestigungsstelle kurz. Die Ersatzteile werden gegen Morgen erwartet. Von der Kanalstrecke ist bis jetzt ist nur ein Drittel ausgegraben. Erst am nächsten Tag beißt der Riese wieder in die Erde und ich kann zu meiner Arbeit kommen. Bei diesem Tempo haben die Hirten doch noch ein paar Jahre die Chance zu überleben. Die Bauern, die ihre Hütte direkt auf der geplanten Strecke haben, werden entschädigt. Aber was ist Geld, wenn man nichts zu essen hat? Wir machen uns auf den Weg Reth Ayang Anay, König der Schilluks, zu besuchen und zu interviewen. Er ist Herrscher über ein Viertel Million Niloten, die ich aus Schulbuch kenne als auf einem Bein stehende Riesen. Außergewöhnlich an dieser einzigen Monarchie am Nil ist nicht nur die Macht des Reth, sondern auch sein Ableben, wie der Joshi erfährt. Der König darf nicht eines natürlichen Todes sterben. Es wäre eine Katastrophe: kein Regen, keine Ernte, die Tiere können krank und die Männer impotent werden. Er muss umgebracht werden, wie es sich gehört. Als der letzte Monarch im Khartums Krankenhaus eines normalen Todes zu sterben drohte, brach hier in Faschoda eine Panik aus. Die Situation wurde mit einem Kissen gerettet, das ein patriotischer Schillukpfleger im letzten Moment seinem Herrn ins Gesicht presste. Aber bevor wir den König erreichen, müssen wir irgendwie den Nil überqueren. Das ist mit unserem Taxi ein fast unmögliches Vorhaben. Es gibt keine Brücke über den Nil. Das einziges größeres Schiff besitzen die evangelischen Missionare. Der verbitterte Pater hört sich unsere Bitte an, sagt nein und verschwindet mit Jeep in Richtung Malakal. Wir sind  sauer und verloren. Joschi, der Schreiber, geht zum Ufer und befiehlt einfach dem jungen Kapitän, unser Taxi aufzuladen, und so kommen wir 20 Minuten später an der anderen Uferseite an, etwas tiefer, dort, wo so etwas wie eine Straße nach Faschoda anfängt. Das Schiff soll auf uns bis zum Abend warten. Mittags erreichen wir den Königlichen Dorf. Wir wurden von zerlumpten Polizisten mit Vorderlader in Abstand gehalten und in einen eingezäunten Platz gebracht. Mohammed und seine Freunde bleiben draußen und beschützen den Wagen. Nach einer Stunde Hitze erscheint einer und erklärt uns, dass der König um 4 Uhr uns zu empfangen gedenkt und führt uns zu einer Lehmhütte, wo wir Platz nehmen dürfen. Die Hütte ist angenehm kühl, keine Möbel, nur die Wände sind bunt bemalt. Naive Bilder von Giraffen, Flugzeugen und Bäumen, die wie Weihnachtsbäume geschmückt sind. Einer von unseren Jungs liegt auf der Bank in der Kabine des Taxis und döst vor sich hin. Unter dem Sitz liegt ein Gewehr, das Mohamed mitgenommen hat, um unterwegs eventuell zu jagen. Der Junge spielt mit dem Finger an etwas, was sich wie ein Abzug eines Gewehrs anfühlt. Um sich zu überzeugen, ob er recht fühlt, drückt er den Abzug und ein Schuss durchbohrt seine Wade. Ich bin in der Hütte fast am einschlafen als ich den Schuss höre. Nach drei Sekunden bricht Geschrei aus, begleitet von mehreren Schüssen. Wir werden rausgezerrt von einer bewaffnete Menge mit Speeren und Gewehren Amok-laufender Wilder in Schach gehalten. Sie sind überzeugt, dass wir bezahlte Killer des Feindes des Königs sind. Der verletzte Junge wird mit bösen und fast übersinnigen Blicken zur Boden gezwungen. Sie machen ihm mit Tritten und Schreien fertig, er wälzt sich in der Erde, aus seinem Mund quillt Schaum, bis er in eine Art Trance fällt und mit aufgerissenen Augen verharrt. Damit sind die Eintreiber zufrieden, sie widmen sich jetzt uns. Wir werden auf eine Pritsche geschmissen, die unheimlich Blitzenden halten ihre Gewehre an unsere Köpfe. In Faschoda kommen wir ins Gefängnis, sitzen in brütender Hitze mit unserer Angst und der wild arbeitenden Phantasie über die Rache des Königs. Nach zwei Stunden kommen wir vor einen englisch sprechenden Offizier und versuchen, unsere Haut zu retten. Scheinbar ist er kein Freund dieser Monarchie und überlässt den Fall dem König. Zurück am Hof versuchen wir mit Mohamed und Hassan, der außer arabisch auch ein paar Brocken Schilluk spricht, unsere Unschuld zu beweisen. Der Mittler des Königs verlangt alle Geschenke. Wir geben ihm die letzte Flasche Whisky, eine Schere, Zigaretten, und ich opfere mein kleines Radio und die Taschenlampe in Form eines Füllfederhalters. Der Mittler verschwindet. Es vergeht eine lange Stunde. Zurück, verkündet er, dass seine Hoheit die unbegrenzte Güte besitzt, uns Barbaren zu verzeihen und wir verschwinden sollen. Der König hält gerade Audienz für seine Untertanen; ich soll aber vorher erklären, wie man mit dem dicken Bleistift schreibt. Ich wittere eine Chance, den Reth doch zu sehen und biete mich Seine Hoheit es zu erklären. Nach einer Rückfrage werden wir aufgefordert, mitzukommen. Hinter den Hütten, unter großem Baum, sitzt seine Majestät auf einem Plastiksessel, auf dem Kopf eine blaue Baseballmütze. Über dem weißen Netzhemd trägt er ein rosa Gewand, in der linken Hand hält er einen Stock und ein Speer; daneben steht auf schäbigem Hocker ein großes Kofferradio. Zwischen Radio und durchsichtigem Plastikbeutel mit Kassetten entdecke ich meinen Radiotransistor, der den einzigen Sender spielt, der hier zu kriegen ist. Zehn Meter hinter dem Thron sitzen auf der Erde 30 bewaffnete Männer in rosa Gewändern, die zur Garde des Reth gehören. Vor dem König hockt auf Knien ein Untertan, der ihm eine Frage oder eine Bitte vorträgt. Reth hört hochnäsig zu und blinzelt in unsere Richtung, sagt etwas zu dem Mann, der sich bedankt und rückwertsgehend verschwindet. Er ruft seiner Crew etwas zu, zwei Männer eilen zu ihm. Wir sollen kommen. Wir nehmen Mohamed und seinen Bruder und gehen. Kurz vor dem Plastikstuhl fallen beide Brüder auf die Knie und flehen uns mit den Augen an, das gleiche zu tun. Normalerweise haben die Dinka für die Schilluks nur Spucke übrig, aber der Vorfall hat beiden den Stolz genommen. Auch der Reth zwingt uns mit seinem Blick in die Knie, aber ich schüttele ihm schon die Hand. Er sagt etwas zu seinem Ratgeber, der gibt das an Mohamed weiter, Mohamed übersetzt das seinem Bruder und fragt auf Englisch, ob wir noch Geschenke haben. Da wir bedauern, holt er aus seinem Gewand den Bleistift und zeigt halb fragend halb mit Befehlsmimmik, was das Ding soll. Ich zeige ihm den kleinen Knopf, der das Ding zum Leuchten bringt. Sofort erleuchtet sein Gesicht mit breiter Freude, und er spielt für kurze Zeit mit der Lampe. Jetzt erklärt er seinen Ratgebern fachmännisch die Funktion des Rätsel-Ding. Seine Würde steigt. Wir dürfen Fragen stellen. Die Antworten sind nicht nur durch die mehrmalige Übersetzung unbrauchbar. Immerhin erfahren wir, dass er den Kanal nicht besucht hat, dass er hundert Kühe und 40 Frauen besitzt. Er beendet die Runde und lädt uns ins Dorf ein, zeigt uns seinen Reich. Die Hirten kehren mit den Kühen und Ziegen in den Hof zurück. Ich sehe Frauen arbeiten, sie mahlen Korn oder kochen, einige kauen auf etwas, was sie nach einer Weile in eine Kürbissschale spucken. Es ist eine Art gegärte Bier.  Er befiehlt, drei Behälter mit dem Brei zu füllen, und wir sollen mit ihm anstoßen. Ich halte das Schälchen in der Hand und kann meinen Magen und Hand kaum beruhigen. Er fordert uns auf zu trinken, im letzten Moment fällt Joschi die rettende Lüge ein: Wir, als Christen durften keinen Alkohol trinken. Gerettet! Wir bewundern seinen Lieblingsbullen mit den enormen Hörnern und nehmen vor seiner Hütte Platz. Das ständige Übersetzen und die seltsamen Antworten machen uns schweigsam. Ich sitze an seiner Rechten, durste anständig und beobachte das kindische Spiel des Riesen-Magnats, der sich ärgert, dass seine Hunde, kaum an das Licht seine Taschenlampe reagieren. Bei den Hütten sprechen die Hirten leise zu den Kühen, binden sie an Pfähle an, alle sind friedlich und zufrieden. Die getrockneten Kuhfladen werden gesammelt und neben dem Vieh angezündet. Es riecht angenehm und schützt vor Mücken. Der Rauch mischt sich mit dem aufkommenden Blau, das die Sonne verdrängt. Die Hütten werden vom hellen Gelb des Feuerschein erleuchtet, an denen das Essen vorbereitet wird. Alles ist reduziert auf die Elemente Feuer, Leben, Wärme, Freude. Die abstrakten Schatten, die um das Feuer hockenden Leute werfen, ersetzen alle Kunstwerke und lassen mich treiben bis in eine beinahe biblische Vergangenheit. Der Reth verabschiedet sich, und Mohamed und Hassan schleppen eine Ziege ins Auto. Das Geschenk des Reths. Ich sitze hinten auf der Bank, die Ziege meckert an meinen Füssen; mit ihr könnte ich hier den Neuanfang machen. Die holprige Straße lässt die idyllischen Dörfer am Straßenrand in Bewegung erscheinen, so wie die Gedanken vom Glück. Sie sind da, ich sehe sie an mir vorbeilaufen, aber durch das hopsendes Auto sind sie nicht mal für eine Sekunde zu fixieren, zu fassen. Wir nähern uns dem Nil. Ich freue mich auf die letzte Dose Bier, die ich noch in Malakal habe. Unten am Ufer, das Boot ist weg. Das Boot ist nicht mehr da. Mein Bier verschwindet, wie kommen wir zurück? Ein paar Leute erklären aufgeregt, dass der Pater das Boot zurückholte. Die Moskitos schlagen zu. Hassan rettet die Situation, er organisiert einen Einbaum. Sie bleiben dort und vergewissern uns, daß sie es morgen auch schaffen werden. Das Kanu, ein 6 Meter lange ausgebrannte Baum. Hinter mir sticht unermüdlich und kraftvoll ein zwei Meter großer Dinka das Wasser ab. Für die Hinfahrt brauchten wir mit dem Motorboot fast viertel Stunde, er schafft die Strecke in eine Stunde und das bei seiner einseitigen Ernährung; ein Kanu mit fünf Leuten! Nur einmal unterbricht er das stetige Eintauchen des Paddels, als er eine Hand  voll Wasser zum Mund führt; und weiter geht der ausdauernde Intervall, rein und ab. Kleine und große Hyazinthen schwimmen langsam vorbei, über dem Nil breitet sich eine Prachtnacht aus, so deutlich und schön wie ein aufgeschlagener Atlas mit Sternenhimmel. Die Moskitos begleiten uns und freuen sich über die brave Beute. Ab und zu ein Aufschrei von den schwimmenden Inseln und ein unbeholfenes Aufflattern von weißen langhallsigen Vögeln, denen wir zu nahe gekommen sind. Ich sehe in der Dunkelheit keine Alligatoren, aber aus Angst fasse ich die langsam vorbei schwimmende Pflanzeninsel lieber nicht an. Je mehr wir uns dem Ziel nähern, umso sicherer bin ich, dass wir es schaffen und nicht umkippen.

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